ADEBAR / KUBELKA

Das Projekt ADEBAR / KUBELKA konfrontiert Tanz mit Film auf der Basis musikalischer Organisation. Damit ist auch schon gesagt, warum ich gerade ganz bestimmte Filme, die metrischen Filme von Peter Kubelka, mit meiner Arbeit in Zusammenhang bringe: Weil es aufgrund der Verschiedenheit der Medien eine Gemeinsamkeit braucht, damit nicht der Film dem Tanz bloß Atmosphäre verleiht oder der Tanz als lebendiges Beiwerk sich zum Film gesellt, wie es eben oft geschieht bei Tanzfilmen oder Tanz mit Videoeinspielungen.

 

Mir geht es um die strukturellen Grundlagen, mit denen diese beiden Medien verknüpft werden können, so dass in vielerlei Hinsicht ein Mehrwert entsteht. Peter Kubelkas Arbeit ist ja schon fast ein halbes Jahrhundert alt und war Impulsgeber für einige Generationen von Experimentalfilmern. Kubelka hat mit seinen komprimierten Filmen ADEBAR (1957), Schwechater (1958) und Arnulf Rainer (1960) eine akribische Grundlagenforschung betrieben, die das Medium Film von zu engen Verwandtschaftsverhältnissen mit anderen Künsten abrücken und ihm damit eine eigenständige Das-kann-nur-der-Film-Attitüde verliehen.

 

Im Zusammenhang mit Tanz interessant ist Kubelkas Erkenntnis, Film sei nicht Bewegung, sondern die Projektion von 24 Standbildern in der Sekunde und die daraus folgende genaue Partitur aus 24 Bildern und synchronem Tongeschehen für jede Sekunde Film. Oder die Feststellung, dass, um ein akustisches Erlebnis zu haben, man nicht unbedingt etwas hören muss, sondern dass ein visuelles Erlebnis das unter Umständen intensiver vermitteln kann, zum Beispiel visuelle Rhythmen.

 

Ich nehme Kubelkas Filme und Analysen her, um mit ihrer Hilfe eine ähnliche Grundlagenforschung im zeitgenössischen Tanz zu betreiben. Auf diesem Gebiet wird seit ungefähr zehn Jahren umtriebig geforscht. Jede Tanzaufführung ist gleichzeitig ein Forschungslabor, um den menschlichen Körper im Spannungsfeld von alten und neuen Medien zu bestimmen. Manchmal führt die Forschung zu dem Ergebnis, dass sich nichts mehr bewegt – im Unterschied zu Kubelkas Filmen, wo die Erkenntnis, dass Film nicht per se Bewegung ist, nicht zum Diabild führt, sondern zu der Folgerung, dass man in die viel kleinere Einheit Filmkader vordringen und auf dieser Ebene arbeiten muss, um Bewegung zu erzeugen.

 

Kubelkas Filme haben in ihrer Machart eine Affinität zu meiner choreografischen Arbeit der letzten Jahre. Zum Beispiel habe ich Sacre Material (2000) konzeptuell so ausgearbeitet, dass auf der Grundlage von „Le Sacre Du Printemps“ (1913) von Nijinsky und Strawinsky auf allen performativen Ebenen analytisch Partituren erstellt wurden, die im Zusammenspiel ein aktives Zuschauererlebnis ergeben. In how to be tool (2002) führt eine einzige Tänzerin verschiedene übereinander gelagerte körperliche Rhythmen gleichzeitig aus.

 

Für ADEBAR / KUBELKA werden außer der Choreografie auch Musik (Max Nagl) und Bühne (Philipp Harnoncourt) entlang der Parameter von Kubelkas Film eine Entsprechung in körperlicher und räumlicher Hinsicht versuchen und immer auch die Unterschiedlichkeit und Gemeinsamkeit der Medien reflektieren. Ausschlaggebend für die Wahl von ADEBAR als Ausgangspunkt war einerseits die Tatsache, dass das Bildmaterial tanzende Menschen zeigt, dass also intrinsisch eine Aufforderung zum Tanz besteht, als auch die Tatsache, dass es Kubelkas erster metrischer Film, sein erster Schritt auf dieser Forschungsreise war. [ chg ]

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